Sammelsurium – Eine Anleitung

„Leben und Überleben. Jagen und Sammeln. Letzteres sorgte für ersteres seit Menschengedenken, sind untrennbar miteinander verbunden. Dem lebenswichtigen Sammeln von Wildfrüchten, Kräutern, Pilzen, Moosen und Hölzern folgte im Verbund alsbald das Sammeln von Zeug, dass augenscheinlich nicht so wichtig war: Dinge, die nur schön, kurios, unheimlich, lustig – weil fantastisch seltsam anmuteten. So hat sich in der Kunst bis heute nichts daran geändert. Im „Habenwollen“ sind Jäger und Sammler auf der Pirsch nach dem (verborgenen) Schatz sich völlig einig. Am Ziel seiner unendlichen Wünsche erfreut sich der Sammler an seiner Beute: Er hängt sie an die Wand, stellt sie gut sichtbar auf, legt sie in Mappen und Alben, präsentiert sie in Vitrinen.“ (H. Hormann)

Eine Privatsammlung spiegelt immer Lebenslust und eine ganz individuelle Auseinandersetzung mit der Kunst und das persönliche Kunstverständnis ihres Besitzers wieder. Diese Subjektivität ist Freiheit und Privileg, verlangt aber gleichzeitig ein großes persönliches Engagement und Mut, sich auch dazu zu bekennen. Der Weg vom bloßen Betrachten zum aktiven Sammeln kann durch vieles angestoßen werden. Er führt über Museen, Galerien und Kunstmessen nicht selten direkt in die Ateliers der Künstler und zu persönlichen Beziehungen zwischen Sammlern, Kunstschaffenden und Kunstvermittlern. So entsteht mit dem Sammeln dann auch gemeinsame Geschichte und der Sammler verschafft sich neue Verbindungen und Bedeutungen zu den erstandenen Kunstwerken und ihren Urhebern.

In der hier vorgestellten Auswahl waren das Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen, mit seinen zeitgenössischen Ausstellungen der späten 60er bis 80er Jahre, und die lebendige Kunstszene von Köln, Leverkusen und Düsseldorf prägende Initialzünder. Damals wurde hier Kunstgeschichte geschrieben und Köln war neben New York und Paris ein Dreh- und Angelpunkt der internationalen Kunstszene. Viele Künstler dieser Kollektion sind documenta-Teilnehmer, waren oder sind Kunstprofessoren und immer noch aktiv im Kunstbetrieb. Galten sie in ihren Anfängen noch als Avantgarde, gehören sie längst zu den Klassikern und finden sich in zahlreichen öffentlichen Sammlungen und Museen.

Die Auswahl umfasst Zeichnungen, Malerei, Objekte und Skulpturen und bildet so ein spannendes zeithistorisches und kunstgeschichtliches Dokument einer damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Sowohl für die Künstler, als auch ihre Sammler wurde damals Kunst als probates Mittel verstanden, kulturgesellschaftliche Veränderungen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Für eine Generation, geprägt von Krieg und Wiederaufbau, stellte moderne Kunst eine wichtige und notwendige Positionierung des Selbst als reflexiver Bürger der noch jungen Demokratie dar. So war es auch ein Anspruch mit der Kunst aktiv gegen das Vergessen der NS-Diktatur und ihrer Gräueltaten anzugehen. Nicht von ungefähr gibt es aus dieser Generation und Zeit anzuzgehen und große Sammlerpersönlichkeiten gründeten Stiftungen und Museen.
sammelsurium

Die Ausstellung Sammelsurium – Eine Anleitung vereint Werke mit minimalistischen Ansätzen, wie zum Beispiel von Otto Boll oder Alf Schuler mit Arbeiten von Joachim Bandau einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer der Gegenwart, der die Erweiterung des Skulpturbegriffs seit den 60er Jahren entscheidend mitgeprägt hat. Einen weiteren Aspekt bildet die großformatige Tubenfigur des Künstlers Jürgen Brodwolf, dessen bildhauerisches Prinzip sich fern von traditionellen Material- und Formgebung ansiedelt. Claudio Costa und Dorothee von Windheim, wurden schon 1977 zur documenta 6 als Vertreter der neuen Sparte Spurensichrung in der Konzeptkunst gefeiert. Daneben finden sich auch spielerische Arbeiten von Charly Banana, Objekte von Ugo Dossi oder eine Fotoarbeit aus der Serie Viva España von Jürgen Klauke. Micha Ulmann, der durch seine reduzierten Minimente und sein beeindruckendes Mahnmal zur Bücherverbrennung in Berlin bekannt wurde ist ebenso vertreten wie der Kölner Peter Gilles. Der Ausnahmekünstler ging in seinen Live-Performances oft an seine physischen und psychischen Grenzen.

Bevor diese Kollektion nun endgültig aufgelöst wird, möchten wir mit der Ausstellung Sammelsurium – Eine Anleitung eine Auswahl der wesentlichen Aspekte dieser persönlichen Sammlung vorstellen und dazu einladen, einen Blick auf ein bewegtes und gelebtes Sammlerleben zu werfen. Sammelsurium – ist eine Anleitung und lädt dazu ein, es den zahlreichen Privatsammlern nachzutun.

Künstler:
Charly Banana, Joachim Bandau, Hilmar Boehle, Otto Boll, Jürgen Brodwolf, Claudio Costa, Ugo Dossi, Peter Gilles, Hetum Gruber, Edgar Hofschen, Antonius Höckelmann, Rolf Kissel, Jürgen Klauke, Lénèlore Mausz-Lenz, Wolfgang Orth, Rudolf Schoofs, Alf Schuler, Micha Ullman, Dorothee von Windheim

Sammelsurium-plakat