Thomas Gatzemeier
„Dick aufgetragen – gut abgehangen
Arbeiten aus den 90er Jahren“

Vergegenständlichte Lust

Der 1954 in Sachsen geborene Künstler Thomas Gatzemeier lüftet seine Wunderkammern. Seine Retrospektive startete er in seiner Heimatstadt Döbeln mit der Ausstellung „Die Belehrung“ die auf drei Etagen einen großen Einblick in sein malerisches, zeichnerisches und grafisches Werk gibt. Der Kunstverein Siegen eröffnete gerade erst seine Ausstellung „Jüngster Friede“ die Gatzemeiers Werke mit politischem Hintergrund im Fokus hat. Auf seiner Tournee durch Deutschland macht der Künstler jetzt auch Station in Köln, wo er schon in den 1980er und 1990er Jahren große Erfolge feierte. Die Galerie Koppelmann zählte zu den ersten, die den talentierten Maler in der Bundesrepublik ausstellten. Die Ausstellung „Dick aufgetragen – gut abgehangen“ widmet sich seiner farbgewaltigen Arbeiten der 1990er Jahre. Diese sinnlichen Bilder aus seiner abstrakten Phase vermitteln die Lust des Malers an einem elementaren Schöpfungsprozess und seine ungebändigte Malwut. Es ist eine Wonne, wie aus dem nuancenreichen Farbdickicht unmerklich Figuren aus der Tiefe des Malgrundes an die Oberfläche treten und sich nackte Leiber mit der Bildfläche nach malerischer Verschmelzung streben. Satt und üppig entstehen Farbtopografien, durch die der Pinsel sich in tiefen Furchen seinen Weg bahnt. Es ist eine barocke Auseinandersetzung mit der Farbe, die ein spannungsgeladenes Wechselspiel von Abstraktion und Figur, auf höchstem handwerklichen Niveau, zur Schau stellt.

Gatzemeier behandelt die Farbe selbst körperhaft. In satter Großzügigkeit ist die Farbe pastos aufgetragen, als Relief kultiviert, geradezu körperhaft empfunden und modelliert. In diese dickhäutigen Farbkörper hat er zudem ganze Dramen und Mythen versenkt. Der Künstler spricht vom Malen als „vergegenständlichter Lust“, aber auch davon, dass Farbe wie ein Element im Zweikampf gebändigt und geformt werden muss. Sein malerisches Werk umkreist – stilistisch nicht gebunden – immer wieder den weiblichen Leib, ist an der Natur orientiert und mit der Tradition des gegenständlichen Abbildes verbunden. Auch wenn diese Gegenständlichkeit in früheren Werkphasen abstrahiert wurde, gründete sie immer auf explizit organischen Formen.

Während seiner Ausbildung an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst waren Akt und Anatomie zentrale Lehrfächer, was aus der Perspektive der Westakademien als anachronistische Reminiszenz aus dem 19. Jahrhundert abgetan wurde. Als Gatzemeier 1986 nach seinem Antrag auf Ausbürgerung in den Westen ging, feierten gerade die Neuen Wilden große Markterfolge. Die leibliche Auffassung von der Farbe führte Gatzemeier zu einer Form von Abstraktion, die ihm während seiner Studienzeit in Leipzig nicht begegnet war. Sein Werk ist keiner Schule und keinem Stil zugehörig.

Gatzemeier hat einmal für sich und seine Kunst eine Doppelnatur, einen apollinischen und einen dionysischen Charakter reklamiert: Er hat das Apollinische als das Begrenzende und Zeichnerische, das Dionysische als das Entgrenzende und Malerische definiert. Der Künstler vereinigt in seiner Kunst beide Mentalitäten und Modi, er spielt sie in seinen wechselnden Werkphasen getrennt aus oder führt sie zusammen, was die Bildenergie mächtig steigert. (Eduard Beaucamp)

Seit 1987 stellt Gatzemeier in Galerien, Kunstvereinen und Museen aus.

Zahlreiche Werke befinden sich in renommierten Sammlungen des In- und Auslandes.

Ausstellung
08. 10.  – 19. 11. 2016

Vernissage
07. 10. 2016
19 – 22 Uhr